Die Juden von Zirndorf by Jakob Wassermann

Die Juden von Zirndorf by Jakob Wassermann

Autor:Jakob Wassermann [Wassermann, Jakob]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-06T05:00:00+00:00


Es ist so still, daß alle Wandrer staunen.

Wenn solche wundervolle Nacht aufziehet,

Hört man die Wolken und die Blumen raunen.

Dir Wünsche schlafen und kein Feuer glühet,

Du spürst nicht Duft von Myrten und Cypressen;

Die Welle ruht im Strom kein Vogel fliehet.«

»Das ist schön!« rief Agathon aus, blieb stehen und erblaßte.

»Ach Agathon, ich mag dich so gern leiden,« sagte nach einer Pause Monika erglühend. »Du bist so still und sein und was du sagst, ist so warm! Ich glaube, dich könnt ich nicht weinen sehen.«

»Ich hab auch noch nie geweint,« erwiderte Agathon, den Kopf senkend.

Monika nahm seine bebende Hand und küßte sie. Dann gingen sie weiter wie zwei Schlafwandler.

Auch im Dorf sah Agathon viele erregte, finstere, zornige Gesichter. Er wurde unruhig. Als er die Schwelle des Hauses überschritt, überfiel ihn ein stechender Schrecken; er sah jene Frau im Flur stehen, die ihm einige Zeit allmorgendlich begegnet war. Da er sie fassungslos anstarrte, klärte sie ihn auf: »Ich bin die Frau Hellmut und bin zur Pflege Ihrer Mutter da, junger Herr. Sie ist sehr krank. Sei ruhig, Sema!« herrschte sie den Knaben an, der zu ihr reden wollte und schlug mit dem Knöchel eines Fingers roy gegen die Schläfe des Knaben, so daß dieser zu heulen anfing

Als Agathon ins Zimmer kam, fiel ihm auf, daß seine beiden Geschwister wie Wachspuppen auf der Bank saßen und sich nicht rührten. Elkan Geyer starrte mit roten Augen vor sich hin. Bisweilen erwachte er wie aus einer Betäubung und rang stumm die Hände. Enoch saß schweigend am Ofen. Agathon wollte nicht fragen. Voll Besorgnis schritt er die Stufen hinauf, die vom Wohn- ins Schlafzimmer führten und fand seine Mutter allein. Ihr Gesicht war von einem grauenhaften Gelb. Sie lächelte so matt und gezwungen, daß Agathon nach einer geflüsterten Frage, die Frau Jette nur mit einem Zudrücken ihrer Augenlider beantwortete, wieder hinausging.

Plötzlich kam Bärman Schrot mit der blauen Schürze, mit schmutzigen Händen – geradewegs von seinem Acker. Er deutete mit ängstlichen Bewegungen hinter sich: der Schuster Garneelen, sowie der Schmied folgten ihm auf dem Fuß. Sie kamen herein, der Schmied mit einem Hammer, der Schuster mit aufgestreiften Ärmeln, beide mit Gesichtern, die wie von Trunkenheit gerötet waren, und der Schmied schlug mit dem Hammer auf die Lehne eines Stuhls, daß sie krachend zerbrach. Mit schrillen Schreien flüchteten die zwei Kinder in das Zimmer der Mutter, und gleich darauf erschien Frau Jette im Bettgewand auf der Schwelle, einer Leiche gleich und mußte sich am Pfosten aufrecht halten. Der Schuster schrie, daß ihm seine Ersparnisse gestohlen seien, und er werde dafür sorgen, daß in drei Tagen kein Jud mehr lebe im Dorf, dafür werde er sorgen, man könne sich darauf verlassen. Der Schmied heulte mehr, als er redete, schlug mit dem Hammer blind um sich, wollte seine zweitausend Mark haben, oder er haue alles zusammen vom Dach bis zum Keller. Auf ein paar Jahre Zuchthaus käme es ihm nicht an, ihm nicht. So schrien sie beide. Auf der Gasse sammelten sich die Menschen, drückten die Gesichter an die Fensterscheiben, drängten sich



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